Lieblingsröhrchenschieber und Saitenstreichler bOOgie hat mir soeben den Ball zugespielt und mich an eine, jetzt mit Abstand betrachtet sehr lustige, Anekdote aus meiner Tätigkeit als Illustrator erinnert.

Damals fand ich es allerdings garnicht so witzig, und im Grunde genommen kann ich mich auch heute noch über die Doofheit Beratungsresistenz von Auftraggebern und Kunden prächtig aufregen.

Ich möchte jetzt nicht zu sehr rumjammern, aber ein Problem, mit dem ich mich immer wieder konfrontiert sehe, ist, dass gerade bei Auftragsillustrationen der Kunde bessser weiss, wie es auszusehen hat, und/oder eigentlich einen (vermeindlich günstigeren) Ersatz für eine Fotografie sucht.

Da man ja mit Stift und Papier so ziemlich alles herbeizaubern kann, werden auch ganz oft die elementarsten Anforderungen an vorhandenem Platz, Größe der finalen Illustration und Wünschen, was bitte alles abgebildet werden soll, über Board geworfen.

Etwaige Einwände, Vorschläge und Bedenken - mithin Beratung - meinerseits werden sehr oft mit dem Toschlagargument "Der Kunde Möchte Das Aber So" abgebügelt. Sehr oft und gerne folgt dann auch der Satz "Naja mach' es doch erstmal so, damit der Kunde sieht, dass es nicht funktioniert...". Natürlich wird diese Leistung nicht etwa als zu Bezahlend erachtet, sondern eher als sowieso notwendiger Schritt auf dem Weg zum fertigen Resultat... was ich im Falle einer direkten Beauftagung eventuell auch so sehen würde, nicht aber, wenn eine Agentur zwischengeschaltet schon die unsinnige Idee dem Kunden verkauft hat.

Exemplarisch hier nun die Geschichte mit den Penisblumen, die bOOgie so sehr gefallen hat:
Ich soll im Auftrag einer Agentur für ein Finanzinstitut ein Titelmotiv für einen Flyer illustrieren. Thematisch geht es um die wachsenden Börsen/Märkte in Europa, Osteuropa und dem Rest der Welt. Die Vorstellung für die Illustration, die im fertigen Flyer in - Achtung - etwa 60 x 60mm zu sehen sein wird, ist folgende: Eine Hand hält eine Weltkugel, und aus der Weltkugel wachsen an den Orten der verschiedenen Börsen (Paris, Frankuft, Tokyo etc pp) Setzlinge, deren Größe sich ableitet aus der "Alteingesessenheit" der jeweiligen Börse. Also alte Börsenplätze sind schon mehr gewachsen als die neuen, die eher gerade erst keimen.

Nach längerer Diskussion darüber, dass die eigentliche Aussage in der kleinen Darstellung nicht mehr erfasst werden kann, dass die Hand eigentlich völlig überflüssig ist ("Der Kunde Will Das Aber So...") sowie einiger anderer Kleinigkeiten wie "auf der Weltkugel liegen London und Paris aber sehr dicht beisammen, beide sind schon kräftige Pflanzen und eigentlich nicht mehr zu unterscheiden...?" habe ich den Agenturkontakt doch soweit überzeugt, dass er nochmal "mit dem Kunden reden" will.

Ergebnis dieses Gesprächs ist immerhin, dass die Weltkugel einer Europakarte weicht. Das Paris/London Argument hat gezogen. Dafür soll die Karte jetzt richtig schön in der Handfläche liegen (zur Erinnerung; wir reden immernoch über ein quadratisches Bildformat in der Größe von 60 x 60mm).

Aber eigentlich ist der Platz immernoch viel zu gering, um die Idee mit den Pflänzchen und den gewachsenen Pflanzen adäquat darzustellen. Natürlich landen wir irgendwann an dem Punkt, wo "wir es dem Kunden mal zeigen, ich glaube Dir ja, dass es nicht funktioniert".

Solcherart motiviert, verbiege ich also ein paar Bleistifte und skizziere diverse Varianten, wie die Elemete Hand, Karte und Setzlinge irgendwie halbwegs ansprechend miteinander kombiniert werden können (geht nicht). Geht nicht gibt's nicht, und so bekommt der Kunde schliesslich einen Entwurf zu sehen, sicherheitshalber zusätzlich auch gleich runterverkleinert auf die Originalgröße.
Es kommt wie es kommen muss - der Kunde findet das toll - Go!
Toll. Ich fass' es nicht.

Also mal wieder Augen zu und durch... Reinzeichnen, Tuschen, Scannen, Vektorisieren, im Rechner kolorieren und weg damit zur Agentur.

Kurz darauf der Anruf:
"Du, der Kunde findet, die Setzlinge erkennt man nicht."
"Ach." (Schläfenadern schwellen an)
"Ja. Kann man die nicht etwas größer zeichnen?"
"Uhm, nein... da ist kein Platz... das hatten wir doch schon besprochen. Ausserdem war es genau so in dem Entwurf, den Ihr abgesegnet habt..."
"Ja, schon, aber die sind zu klein. Die müssen größer."
"..."
"Ausserdem findet der Kunde das sieht aus wie Penisblumen. Das können wir so nicht machen."
"... sieht aus wie ... Was?!?"
"Ja, da die kleinen Setzlinge da im Osten... das sieht aus, als würden in Europa Penisse wachsen. Hehe."

Hehe Dich selbst, denke ich mir und gehe erstmal eine rauchen. (Also natürlich nicht, denn ich rauche nicht, aber wenn, dann wäre ich spätestens jetzt erstmal eine rauchen gegangen.)

Unnötig zu betonen, dass diese Illustration nie verwendet wurde. Es war zum Glück nicht der letzte Auftrag aus dieser Ecke, aber mit Sicherheit einer der absurdesten. Obwohl... wenn ich an die Sache mit dem Disco-Dachs denke... die Geschichte gibt es vielleicht ein anderes Mal.