Eine weitere Geschichte aus der Welt des hardworking Illustrators, zur allgemeinen Unterhaltung und für bOOgie im Speziellen.

Eines schönen Tages bimmelte wieder das Telefon, es war ein Mittwochnachmittag, und es wurde der Wunsch geäussert, bitte bis Freitagmittag eine Illustration reproduktionsreif fertig zu haben, für den Titel einer Broschüre. Im Grunde genommen bedeutet das, die Illustration noch am gleichen Nachmittag zumindest von der Grundidee fertig zu haben, damit am folgenden Vormittag die Abstimmungsrunden zwischen Agentur und Kunde laufen kann, etwas Zeit für Korrekturwünsche bleibt, und die Reinzeichnung dann am Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag erfolgen kann.
Also mal wieder: Vollgas und keine Zeit. Wie meistens bei den Illustrationsjobs. :-)

Die Agentur hatte sich zusammen mit dem Kunden auch schon das Motiv überlegt (Alarmglocken gehen an), man möchte einen Dachs gezeichnet haben, der in der berühmten "Saturday Night" Pose von John Travolta abgebildet ist. Hm, denke ich mir, das könnte ganz lustig sein, und scribble während des Telefonats ein paar sehr lustig aussehende crazy Discodachse. Man hatte sich aber noch mehr ausgedacht mit der Illustration, immerhin geht es ja um einen Broschürentitel, da muss ja auch Information drauf... (erwähnte ich die Alarmglocken?) ... aber zunächst will man mal eine Skizze sehen, ob das überhaupt funktioniert, einen Dachs in ein Discooutfit zu stecken und in Travolta-Pose abzubilden. Weitere Gespräche werden auf später vertagt, wenn die Skizze vorliegt.

Vielleicht sollte ich erwähnen, dass die Figur des Dachses nicht von ungefähr gewählt wurde; ich hatte schon einige Zeit zuvor einen Dachs-Charakter für diese Broschüren entwickelt, der in unregelmässigen Abständen in unterschiedlichster Ausführung verwendet wurde. Als Symphatieträger wurde er sehr "chubby" angelegt, also mit Bäuchlein und recht disney-mässig, also auf runden Grundformen, aufgebaut. Wie das nunmal so ist mit einem Charakter, habe ich diese Figur also in ein entsprechendes 70ies-Outfit gesteckt und in die gewünschte Pose gebracht - das sah extrem lustig aus... wobei die Figur zugegebenermassen eher an den späten Elvis, als an Travolta erinnerte. Egal, gefällt mir, ab ins Fax und zur Agentur damit.

Etwas später dann der Anruf: Hm, ja, die Richtung stimmt, aber... der ist zu pummelig. Ja, man verstehe, dass der Dachs bislang eher pummelig dargestellt wurde, aber das geht so nicht. (Erster Bleistift zerbissen). Kann der nicht schlanker aussehen? Mehr so wie im Original?

Ok, Kunde ist König, das Mantra des Dienstleisters (oder auch: wer zahlt, bestimmt die Musik, gna) drehe ich also noch ein paar Skizzenrunden, und suche einen Kompromiss aus Wiedererkennung der Figur und Verschlankung. Fax. Warten. Anruf.

Jahaaa, das sieht ja schon viel besser aus! (Aber?) Aber, wir haben uns da was überlegt... (ALARM)... und zwar machen wir dem Plateauschuhe, und in denen steht...

Es folgt eine längere Erläuterung und Diskussion über Sinn und Zweck der Illustration auf dem Titel, Erklärungen meinerseits über Wortlängen, Lesbarkeit und zur Verfügung stehendem Platz in den *räusper* Absätzen der Plateauschuhe (es fiel auch das Stichwort "Gene Simmons Gedenkschuhe", damit konnte man aber auf der anderen Seite der Leitung wenig anfangen) und schliesslich, deja vu, "ja aber, wir würden das gerne mal sehen".

Und wieder einmal fragte ich mich, warum habe ich nichts Vernünftiges gelernt, warum muss ich jetzt ein Scribble einer Idee anfertigen, von der ich hundertprozentig weiss, dass es nicht funktioniert? Warum glaubt man mir das einfach nicht, wenn ich es argumentativ belegen kann? Warum mache ich das? Gna. Erwartungsgemäss sieht das Scribble Scheisse aus. Also nicht, dass ich es absichtlich würde schlecht aussehen lassen wollen, nein, es ist ja pervers, dass ich mich trotzdem bemühe(n muss), das Beste aus der verkorksten Idee rauszuholen, wohl wissend, dass es eh für die Tonne ist... und again; faxen, warten, ans Telefon gehen.

Ja, nein, das ist es nicht (Ach?). Aber wir haben eine bessere Idee (ach?!!!), wir schreiben die Worte einfach an die Hände. Ja das ist toll, weil es sieht ja so aus, als würde die obere Hand nach oben schieben, und die untere, hintere Hand nach unten drücken (???) und das kommt der Aussage des Titels entgegen... hebt die Rendite und drückt das Risiko, verstehen Sie? Das ist prima!

Öhm, sicher. Ich verstehe zwar mittlerweil garnicht mehr, was das noch mit der ursprünglichen "Disco" Thematik zu tun hat, aber alles, wirklich alles, ist besser als die Idee mit den gefüllten Plateau-Schuhen. Ausserdem wird die Zeit langsam knapp, und so entsteht also eine weitere Skizze, die die gewünschten Änderungen enthält.

Diesmal dauert es ein wenig länger bis zum Rückruf, ein Zeichen dafür, dass entweder was ganz fürchterlich schief geht, oder - genau: Der Kunde ist happy, genauso soll es werden.

Also, Skizze reinzeichnen, Tuschen, einscannen, vektorisieren, colorieren, zur Agentur schicken, Rechnung schreiben, an was anderes denken. Business as usual, mal wieder.

:-)