Der alte Mann ist mal wieder aus dem Haus gegangen, kommt ja selten genug vor. Statt also wie üblich noch bis in den Abend hinein in den Eingeweiden von Webzeug rumzuwühlen, fiel gestern pünktlich um sechs der Codehammer, damit nach kurzer Restauration ich und mein altes Motorpsycho T-Shirt den Spaziergang in die Innenstadt antreten konnten. Denn, so stand es auf der Website des ZOOM zu lesen, man hatte Einlass und Beginn des ausverkauften Konzertes vorverlegt; pünktlich um 20:30h sollte der erste Liveton erklingen, denn (so stand das zwar nicht auf der Website, aber wenn man sich das ZOOM Programm genau anschaut, sieht man es) am gleichen Abend war noch eine, yikes, "Halloweenparty" angesetzt, Beginn: 23:00h. So. Und jetzt überlegen wir mal: In der rechten Ecke: Eine der geilsten Fuddelbands überhaupt, die ohne Probleme aus jedem einzelnen Song einen abendfüllenden Jam erzeugen können. In der linken Ecke: Ein non-open-end Termin, weil das Partyvolk schon auf Einlass wartet.

So verständlich ich aus merkantilen Gründen die Taktik der Betreiber finde, so schade ist es für eine Band, wenn sie nach hinten raus gedeckelt ist, vor allem, wenn es um so Live-Tiere wie Motorpsycho geht, die auch problemlos ein drei-Stunden-Set auf die Bretter legen, wenn die Stimmung passt. Ich war also ein wenig gespannt, wie der Abend so verlaufen würde.

Als ich kurz vor acht am ZOOM ankam, standen vor dem Club schon ordentlich viele Leute, auf der Treppe nach oben gab es einen kleinen Rückstau, aber drin war es noch angenehm leer. Zeit für ein Kaltgetränk, die Winterrobe an der Garderobe geparkt und dann einen rückenfreundlichen Platz an einer der Säulen kurz vor der Bühne gesucht, den ich über den Großteil des Abends dann auch beibehalten und umtanzt habe.

Motorpsycho Arbeitsplatz, noch leer

So habe ich vielleicht vier, fünf Meter weg von der Bühne ein unglaublich geiles Konzert erleben dürfen, und erst, als ich nach gut zwei Stunden dann doch nochmal Durst auf ein weiteres Kaltgetränk bekam, sah ich, *wie* gestoppte voll das ausverkaufte ZOOM war.
Voher bin ich voll und ganz aufgegangen in dem Soundteppich, den Grooves, der Spielerei, dem, ja, Gefuddel, und den immer weiter ausufernden Spiralen aus Sound und Licht, die vom ersten (Live)Ton an sich von der Bühne ausbreiteten. Ich gebe zu, durch eine Erkältung mit Nebenhöhlenbewohnern in Kombination mit den Ohrstoppen hatte ich einen eher, hm, Bass-zentrierten Sound, aber a) spiele ich ja selbst Bass und b) alter war das geil. Jetzt mal ohne Scheiss, während ich mich bei meinem letzten Motorpsycho Live-Gig (vor gefühlt hundert Jahren in der Darmstadter Centralstation) eher an den Gitarrenwänden und -Sounds erfreute, so stand dieser Abend für mich voll und ganz unter dem Eindruck der UNGLAUBLICH guten Rhythmusarbeit, die Bent zusammen mit dem (neu dazugestossenen) Drummer Tomas ablieferten. Vielleicht lag es daran, dass ich mehr oder weniger direkt vor Bent stand (und an meinem Hochtonfilter in Ohr und Nebenhöhle), aber selten habe ich so intensiv die Kommunikation, die da während der Songs mit ihren 1000 kleinen Details und Überraschungen zwischen den Musikern passiert, erleben dürfen.

Motorpsycho bei der Arbeit

So vergingen die ersten beiden Stunden des Sets für mich fast wie in Trance. Die Band hatte sich für Frankfurt auch ein Set zurecht gelegt, was unglaublich hypnotisch-groovig war. Schub und Riffs, dazu immer wieder dieser eigentümliche mehrstimmige Gesang, perfektes Spiel mit Laut/Leise, Dynamik rein, Dynamik raus… das war wirklich großartig. Und neben Tomas ist mit Kristoffer an zweiter/dritter Gitarre, Backinggesang und allerlei Tastenzauber ein weiterer "Jung"Zugang am Start, und ich glaube, diese Frischblutspende tut den beiden Motorpsycho-Urgesteinen sichtlich gut. Jedenfalls strahlten alle vier eine sehr ansteckende Spielfreude aus, man konnte spüren, dass bei aller Routine der Moment, das, was *jetzt* gerade im Zusammenspiel entsteht, im Vordergrund steht. Und das ist für mich die richtig hohe "Kunst": Wenn eine Band ein Konzert "spielt" und nicht die Songs einfach "abliefert". Aber einfach abliefern war ja noch nie ein Problem von Motorpsycho, und es ist schön, dass das auch in der aktuellen Besetzung bestens funktioniert.

Was ich auch selten erlebt habe, bei einem ausverkauften Laden zumal: Selbst ganz hinten, da wo man wirklich fast gar nichts mehr ausser den Stagelights mitbekommt, und wo meistens dann die ortsansässigen Musiker die Arme verschränken, selbst da groovten und tanzten die Leute.

Danke Motorpsycho für dieses Clubkonzert. Danke ZOOM, dass Ihr das möglich gemacht habt.

Und entgegen meinen Befürchtungen fühlte sich das Ende des Gigs nicht abrupt an, mit anschliessender "huschhusch, wir wollen hier noch Party machen" Hektik, wie ich das schon mal bei einem anderen Gig (ich glaube, es war Orange Goblin) erleben durfte.

Anbei nun ein 15-Minuten-Biest von der neuen Platte, "The Tower"; zum einen, weil es gegen Ende des Gigs gespielt wurde und mir besonders in Erinnerung blieb, zum anderen, weil es die Zutaten des Abends auf sich vereint, mit der einen Ausnahme, dass es Live so viel mehr geschoben hat, als es diese Aufnahme erahnen lässt...

Schöner Abend. :-)