Berlin und ich, das ist ja sone Sache. ("sone", das habe ich wohl jetzt am Schuhabsatz mit nach Hause geschleppt… da gehts ja schon los)

Also, genau genommen bin ich "alle rennen nach Berlin, damit sie sich voll kreativ, arm aber sexy ausleben können" Jahre alt; Anfang der 90er ist gefühlt die Hälfte meines sozialen Umfelds im Berliner Osten eingefallen, und, obwohl ich mit ein paar Freunden für eine kurze Zeit eine, heute würde man das wohl "pop up Gallery" nennen, hatte, war Berlin für mich immer mit einer gewissen Skepis und 'nee lass ma' Attitüde besetzt.

Aber durch die sporadischen Besuche über die letzen Jahre (und eine generell zunehmende Grundentspanntheit unwichtigen Themen gegenüber) freunde ich mich immer mehr mit diesem großen Ding da oben an der Spree an. Nicht zuletzt, weil ich natürlich auch mehr und mehr mit Leuten zu tun habe, die nun schon echt lange dort wohnen, oder, gasp, gar dort geboren wurden, und deren Überlebenstips sind halt auch echt wertvoll.

Zum Beispiel, dass der Berliner Radler nicht an der Straße des 17. Junis auf dem eigentlich sehr einladenden Radweg fährt, sondern nebendran durch das Wäldchen am Tiergarten, oder einen kleinen Umweg rund um den Reichstag und so macht, weil einem dort andauernd Touristen vor den Lenker laufen. Ich habe den Gegenversuch gemacht und kann das nun bestätigen. :)

Eine kleine Anekdote aus der U-Bahn hat mich dann doch sehr erheitert, und das würde man in dieser Form in Frankfurt nicht oder nur sehr selten erleben. (Wegen eines »Polizeieinsatzs am Gleisdreieck« geriet mein sorgfältigst ausgearbeiteter und generalstabsmässig geprobter und im Kopf x-fach repetierter Reiseplan von Mitte nach Charlottenburg etwas aus den Fugen, aber das ist eine andere Geschichte).

Kurz bevor ich über besagten Gleisdreieckeinsatz über die Lautsprecheransage im Zug informiert wurde, also noch ziemlich entspannt war, stieg eine Dame älteren Semesters (sagte das Gesicht) mit mädchenhaften Klamottenvorlieben (sagte die Lederjacke, der knappe Rock über Wollstrumpfhosen und die robusten Schuhe) zusammen mit ihrem ca Wadenbein-hohen Hund in die Bahn und setzte sich auf einen eigentlich zu kleinen Platz auf einer der Querbänke.

Auch so eine Beobachtung: der Berliner U-Bahn-Nutzer setzt sich wo er kann. Anscheinend sind die Laufentfernungen in der großen Stadt doch so beträchtlich, dass man jeden Moment im Sitzen mitnimmt, wo es nur geht.

An der nächsten Station sprangen zwei Personen genau in dem Moment in den Wagen, als die Tür zu ging, und natürlich war das eine Fahrkartenkontrolle. Da offenbar das Ziel ist, einen Wagen vor Erreichen der nächsten Station durchgeprüft zu haben, waren die beiden einigermassen zackig unterwegs, was erwähnter Dame mit Hund etwas zu schnell ging, da sie erstmal ihr Ticket aus den Untiefen der Lederjacke finden und ans Licht befördern musste. Statt darauf zu warten, drehte sich die Kontrolleurin weg und checkte ein, zwei andere Leute, sowie mich, bzw. mein Handyticket. Das liess sich anscheinend nicht vernünftig scannen, wurde aber nach kurzer visueller Kontrolle für ok befunden.

Das wiederum ging der Dame mit Hund wohl nicht schnell genug, jedenfalls ertönte ein "Ja watten nu?!" in herrlich-verrauchter Stimme. Daraufhin meinte die Kontrolleurin sinngemäss, "Jaja, zu Ihnen komme ich auch gleich", was dann aber zu einer "erst son Wind machen und dann kommt nüscht!" Maulerei führte, und, nachdem ihr Ticket für ok befunden wurde und das Konrollteam schon wieder auf dem Weg aus dem Wagen raus war, von einem "dat is doch eh allet nur Schikane, Arschlöcher" abgerundet wurde.

Die Kontrolleurin rief noch ein "jetzt haltensema die Luft an" im Rausgehen, was dann nur zu noch mehr Schimpferei führte.

Woraufhin ein bislang unbeteiligter Passagier (versehen mit dicken Kopfhörern auf den Ohren), welcher der Dame direkt gegenüber sass, meinte: "wat sindn Sie jetz so unfreundlich hier, es war doch jarnüscht". Oh, jetzt kam Madame aber erst richtig in Fahrt, und schenkte Mr. Earphone aber ordentlich verbal auf berlinerisch einen ein, was dieser nicht unerwidert lassen konnte, und so kabbelten sich die beiden munter weiter.

Das Interessante für mich war: Obwohl sich da alle verbal nix geschenkt haben, war da keine "echte" Aggressivität zu spüren, mir kam das eher vor wie das Fechtduell bei Monkey Island - auf jeden Anwurf muss es eine Erwiderung geben, keiner steckt zurück, aber es ist nicht wirklich ernsthaft boshaft. Man hat halt seine Meinung und lässt sich auch nicht davon abhalten, diese lautstark zu verkünden.

Nach diesen Regeln ging das Duell dann unentschieden aus, denn Madame rief noch was im Rausgehen zu Mr. Earphone, der aber noch im Moment des Türenschliessens eine passende Erwiderung zum Abschied hinterher schickte.

Dieses zwar irgendwie schon unfreundliche, aber nicht echt böswillige Gekabbel, sowas erlebt man in Frankfurt nicht -- bei sowas schlägt da meistens die Stimmung direkt in echte Aggressivität um.

Ich finde den Berliner Style da wesentlich angenehmer. :-)