WordPress Logo an die VW-Fabrik gephotoshopped

Nebenan im jawl.net Blog hat Christian einen sehr lesenswerten Artikel dazu geschrieben, warum die Vorstellung, dass man mit der berühmten "Fünf Minuten Installation" von WordPress, ein paar Plugins und einem Theme quasi im Handumdrehen eine Webseite am Start hat, mit Vorsicht zu geniessen ist.

Dieser Artikel ist nicht für Entwickler / Programmiererinnen geschrieben. Ich hoffe eher, dass er von Bloggern oder Bloggerinnen oder welchen, die es werden wollen, gelesen wird. Und von Menschen, denen jemand gesagt hat, man können mit WordPress „mal eben“ eine Website aufsetzen. Auch wenn das Fazit vielleicht lautet: „Alles nicht ganz so einfach wie gedacht“. Oder gerade deswegen.
 Ach ja, das Thema ist komplex und ich habe mich bemüht, nicht zu technisch zu schreiben. Dafür dauert das Lesen etwa zehn Minuten. Aber mach ruhig mal.

Ich bin auch sehr oft mit genau dieser Erwartungshaltung konfrontiert und habe in den gut zehn Jahren, die ich mit WordPress Erfahrungen sammeln durfte, noch keine eine Installation in den Fingern gehabt, die früher oder später nicht an genau den Dingen krankte, die Christian beschreibt.

Gerade die Kunden/Agenturen, bei denen es schnell gehen soll und nix kosten darf, haben danach im laufenden Betrieb mit den Einschränkungen und Komplikationen zu kämpfen, die Unzufriedenheit (auch mit dem "Dienstleister") wächst, es etablieren sich merkwürdigste Workarounds, irgendwann können/dürfen die eingesetzten 3rd party Plugins nicht mehr aktualisiert werden, weil sonst was kaputt geht, dann kann der Core irgendwann nicht mehr aktualisiert werden, weil er sonst mit den alten Plugins nicht mehr funktioniert, und spätestens, wenn sich die Webserver/Webpaket Infrastruktur (php Versionen etc) verändern, ist die ganze Seite kaputt. Oder wird gehackt, weil der Core halt seit x Generationen nicht aktuell gehalten wurde. Meistens ist es aber so, dass das gewählte Theme nach einer Weile nicht mehr unterstützt wird, oder dass daran so rumgeschraubt wurde, um dann doch die Individualisierungswünsche unterzubringen, dass ein Update des Themes nicht problemlos erfolgen kann. Wenn da nun entweder die Themeentwickler abtauchen/den Support einstellen, oder sich Abhängigkeiten zu achso tollen Slider, Carousel, wowfancy Scripten ins Haus geholt wurden, und diese aktualisiert werden, fliegen einem eventuell die achso tollen und "kuck mal supi was das nach fünf Minuten schon alles kann" Sachen auch wunderbar um die Ohren. Und weil arbeiten im Code der anderen immer mühsam ist, wird die Behebung von solchen Fehlern meistens richtig teuer und macht auch niemand zufrieden.

Da die (visuelle) Gestaltung einer Webseite gerade bei Firmenseiten eine Form von Identität darstellt, ist halt auch nicht einfach eben mal ein anderes Theme aus dem Hut gezogen - dann gehen die Individualisierungsprobleme erst richtig los.

Von WordPress wird sehr oft behauptet, es sei ein ideales CMS, um mal eben eine Website aufzusetzen.
Gibt man sich mit einem Standardblog im Standardlayout mit den Standard-Funktionen zufrieden, dann ist das auch so.
Möchte man aber etwas individuelleres, dann potenzieren sich mit jeder neuen Funktion sowohl der Arbeitsaufwand beim Anlegen als auch bei der Pflege.
Wenn Dein Business von der Website abhängt, dann vergiss bitte das „mal eben“. Und am besten zeig Dich auch etwas flexibel bei der pixelgenauen Ausgabe aller Funktionen, die Dein Grafiker sich vielleicht so wünscht, die aber vielleicht das (gute, sichere) PlugIn einfach nicht kann.

Aus diesen Gründen bevorzuge ich mittlerweile andere, 'echte' CMS wie zb ProcessWire (wobei das ja genaugenommen eher ein CMF ist), oder ich baue ein maßgeschneidertes schlankes Theme auf ein möglichst Plugin-armes WordPress. Damit das aber gelingt, ist viel mehr Zeit und Beratung notwendig, als die 'nehmen wir doch WordPress und ein Theme' Leute in der Regel bereit sind, zu investieren. Und ein noch ganz anderes Problem, was jetzt nicht WordPress im Speziellen sonder eher die erwartungshaltung an "Website" generell betrifft: Der Launch der Seite ist nicht der Abschluss, sondern dann geht die eigentliche sinnvolle Arbeit erst los. Ein gescheites System wächst oder schrumpft mit den Anforderungen und sollte koninuierlich gewartet und verbessert werden. Leider denken sehr viele, das wird einmal "programmiert" und dann läufts halt. Und das nächste mal beschäftigt man sich vielleicht, wenn in ein paar Jahren ein "Relaunch" ansteht. Mööp.

Ein weiterer Punkt: weil WordPress ja vermeindlich simpel ist und einfachst zu installieren, gibt es auch haufenweise Anbieter, die relativ ahnungslos rumstümpern.

Neulich hatte ich den Fall, dass eine Agentur A ihre eigene Webseite mit dem "WordPress plus ein Theme"-Mindset hat bauen lassen. Das war wohl auch relativ günstig und die Seite erstmal soweit am Start. Nach nur einem halben Jahr war der ursprüngliche Entwickler nicht mehr greifbar, die zwischenhandelnde Agentur B, die das für die Agentur A 'gestaltet' hat, hat keine Ahnung von der Materie und so hat Agentur A dann ein halbes Jahr lang nur mit extrem lang dauernden Schritten wie alle Bilder lokal vorbereiten, per FTP auf den Server schieben, in den Beiträgen dann von Hand verlinken gearbeitet, was intern mächtig viel Aufwand ausgelöst hat, den sie eigentlich in ihren eigenen Jobs besser hätten versenken können. Und das alles nur, weil derjenige, der das WordPress initial installierte, keine Ahnung hatte, wie man auf deren Hoster die Nutzer/Gruppenrechte so setzt, dass WordPress bequem(er) nutzbar ist. Und Updates von Plugins und dem Core problemlos machbar gewesen wären -- so war das Teil schon nach einem halben Jahr mit zwei fetten Core-Sicherheitslücken behaftet.
Ich schätze mal, dass Agentur A da unterm Strich mehr Kosten an der Backe hatte, als eine cleane, vernünftige Umsetzung am Anfang gekostet hätte. Aber diese Argumente will niemand hören, das ist leider meine Erfahrung.

Es gibt immer einen, der's Dir billiger macht und deshalb macht es meines Erachten auch überhaupt keinen Sinn mehr, über Preise zu diskutieren, sondern über den "Wert". Wenn Dich Dein "günstiges" System ein Jahr lang in der Woche zwei Stunden kostet, um Inhalte zu publizieren, und eine anderes System Dich in die Lage versetzt, das gleiche in 10 Minuten zu erreichen, musst Du halt selbst wissen, was dieser 12fache Aufwand Dich intern kostet und was ein gesundes Verhältnis zur initialen Investition wäre. Aber komm' mir bitte nicht mit "es gibt auch Anbieter, da kostet mich das 500 EUR, die nehmen da so tolle Themes, kuck (link zu Themeforrest); ich brauche ein Angebot von Dir, was da mithalten kann, sonst bekommen wir den Job nicht" (O-Ton, recently). Erspare Dir und mir den Aufwand und gehe halt zum 500EUR Lädchen. Peanuts und Monkeys und so.