Wir in meiner Web-Butze tun uns ja immer etwas schwer mit "hey, neue Website gemacht, kuckt mal, voll toll!".

Weil, der Launch ist ja nur ein Teil, die eigentliche Arbeit geht ja erst danach los, auch wenn viele denken, damit wäre die Arbeit ja beendet. Aber, gerade bei CMS-angetriebenen Websites kommt erst im Laufe der Zeit, wenn die Redaktion damit arbeitet, Klarheit, ob und wie die angedachten Komponenten funktionieren. Dann ist man sowieso hinterher immer schlauer und hat schon wieder Ideen, wie man Dinge noch besser lösen kann. Entgegen der wohl marktüblichen "Haltbarkeit" von Webprojekten arbeiten unsere Kunden mit ihren Sites deutlich länger als fünf Jahre; und bei der Dynamik, die "Webtechnologie" in den letzten 5 bis 10 Jahren an den Tag legt, bedeutet das, dass man kontinuierlich gemeinsam und am Besten im regelmässigen und engen Austausch Veränderungen in Anspruch und Möglichkeiten abstimmt.

Leider sind, gerade im KMU Umfeld, mit dem wir es oft zu tun haben, "Websites" nach wie vor ein feststehendes Produkt. Man "kauft" sich das einmal, erwartet, dass es ab dann, bis zu einer internen Entscheidung in ferner Zukunft, "as is" funktioniert. Entsprechend verständnislos ist man dann, wenn eine laufende Wartung und Pflege bezahlt werden soll, das Gefühl von ungewollter Abhängigkeit steht schnell im Raum. Gerade weil oft Open-Source Lösungen erstmal scheinbar "kostenlos" sind. Weil Webpakete für 5-10 EUR im Monat ja auch erstmal zu funktionieren scheinen. Wenn dann eine monatliche Support und Wartungspauschale mit mindestens dem 20fachen Preis aufschlägt (wofür man sich wirtschaftlich gerechnet gerade einmal 1-2h pro Monat mit der Site beschäftigen kann), erscheint das erstmal als einsparbar. Läuft doch.

Die aus Kundensicht perfide Abhängigkeit von "unsichtbaren" Technologieveränderungen erscheint vielen als künstlich herbeigeredet. Wer mit Loginpassworten wie "Firmenname123Sonderzeichen", die bereitwillig per unverschlüsselter E-Mail im großen Verteiler an IT-Dienstleister versendet werden (tatsächlich so erlebt), arbeitet, meint es ja meistens gut, aber dem muss man nicht mit "warum nun PHP5.6 eingestellt wird und sein CMS auf einmal nicht mehr läuft" kommen, wenn die Begründung "Sicherheit" lautet.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass wir als Firma mit vielen KMU-Kunden und meistens ohne SLA-Vereinbarungen oder Wartungsverträge, es trotzdem hinbekommen, dass unsere Kundenwebseiten über viele Jahre laufen, ohne dass man den "nach 3 Jahren kompletter Relaunch nötig" Zyklus geht*.

Jedoch wird mir in der Reflektion der oben beschriebenen Problematik immer klarer, warum wir, gemessen am notwendigen Aufwand, immer weniger verdienen. Wir verschenken tatsächlich sehr viel Leidenschaft und Wissen, ohne dass es verstanden und deshalb auch honoriert wird. Diese Erkenntnis ist nun auch nicht wirklich neu, allerdings verschärft sich diese Schere zunehmend, weil man exponential steigend immer mehr wissen und berücksichtigen muss, damit eine Site "läuft", während sich die Situation bei Budgets und was "Website" den KMU wert ist, nicht entsprechend verändert.

*) Ausnahme sind hier leider zunehmend die TYPO3 Projekte: Durch die Dynamik, die die Entwickler vorlegen, und die teils massiven Veränderungen, die von LTS- zu LTS-Version entstehen, haben wir, bzw. ein Teil unserer Kunden, ziemliche Probleme. Das ist zum einen dem geschuldet, dass wir, bzw. eine frühere Iteration unserer Firma, TYPO3-Projekte damals viel zu günstig umgesetzt haben, und dass die Update-Investionen natürlich immer auch mit den initialen Kosten, zumindest unbewusst, verglichen werden. Zum anderen ist aber die technische Veränderung, die mit einer neuen LTS-Version einhergeht, bzw. der Aufwand, den man treiben muss, um die Site wieder lauffähig zu bekommen, unter "was macht der Kunde eigentlich mit seiner Website" Aspekten bei vielen Klein/Mittelstandunternehmen nicht vermittelbar. Das ist keine Kritik an TYPO3, das ist einfach die Erkenntnis, dass diese Kunden für ihre Zwecke das falsche CMS haben.

Das Resultat ist leider, dass wir immer noch -- Stand Dezember 2018 -- mit einigen Kunden über dringendst notwendige und längst überfällige Updates diskutieren, teilweise seit drei Jahren oder mehr ergebnislos, und sogar noch TYPO3 4.5er Installationen "leben". Mit jeder neuen LTS-Version und dem Wegfall des Sicherheitssupports der älteren LTS-Versionen verschärfen sich die Diskussionen immer weiter, weil natürlich mittlerweile Summen im Raum stehen, die die initialen Investitionen deutlich überschreiten. Und versuche das mal, einem Kunden zu erklären, dessen Website ja (noch) alles macht, was sie soll. So wie die letzten acht Jahre. Was? PHP-Fahrverbote? Pfft.

Aber auch bei den "WordPress"-Agentur Kunden, die meistens, was das initale Budget angeht, noch billiger gefahren sind als die TYPO3-Kunden, gibt es ähnliche Probleme. Die meisten haben sich von (Design)Agenturen irgendwann eine Site mit einem Multipurpose-Theme und integriertem Sitebuilder andrehen lassen, sind dann (vielleicht auch auf eigenen Wunsch, siehe oben) damit alleine gelassen worden, aktualisieren weder den WordPress-Core noch die Themes oder die Plugins. Teilweise können Sie es gar nicht, weil Lizenzen ausgelaufen sind, vitale Plugins aber nur mit Lizenz aktualisierbar sind und sich niemand darum kümmert. Früher oder später ist die Site entweder unbedienbar, kaputt oder gehackt. Einige klopfen dann bei uns an, ob wir helfen können, und früher oder später landet man dann wieder bei oben beschriebenen Diskussionen über Sinn, Zweck und Kosten.

Ich habe TYPO3 und WordPress erwähnt, weil die tatsächlich subjektiv den größten Anteil an unseren "Problem"-Kunden stellen. Die Update/Sicherheitsproblematik besteht aber bei allen CMS-Systemen; tatsächlich waren in der Vergangenheit die Kunden mit alten Joomla-Installationen die mit den meisten Hacks. Aber zum Glück haben wir damit nichts mehr zu tun.

Den Kunden, die wir z.B. von ProcessWire und Kirby überzeugen konnten, geht es dagegen ziemlich gut, was aber auch daran liegt, dass wir mit diesen die eingangs beschriebene Zusammenarbeit hinbekommen. Aber auch dort passieren teilweise Sachen, die man sich im Traum nicht ausdenken würde, einfach weil es oft irgendwo mal schnell gehen muss, ein Kollege krank ist oder man sich aus Ehrgeiz lieber einen Workaround ausdenkt, als mal anzufragen, ob Wunsch X machbar wäre. Könnte ja Geld kosten, und je nach interner Unternehmens-Kultur und -Struktur ist das ein Problem, gerade, wenn man eigentlich fast fertig wäre mit der aktuellen Arbeit.

Die Frage ist halt, warum fühle ich mich da überhaupt in der Verantwortung; das ist ja nicht mein Problem, wenn sich Kunden entscheiden, nicht zu investieren und dann halt demnächst mit einer kaputten und/oder gehackten Website da stehen. Die Antwort: Viele dieser Kunden sind überfordert. Die haben ganz andere Probleme, als sich um den Stellenwert ihrer Website Gedanken zu machen. Gleichzeitig sind viele inhabergeführte Unternehmen aber auch sehr schlecht darin, externe Kompetenzen anzuerkennen oder zuzulassen, und natürlich haben alle Geldsorgen. Das geht uns ja auch nicht anders. Und ich weiss ja, dass wir denen helfen könn(t)en. Aber ich habe leider auch nix mehr zu verschenken. Natürlich gibt es auch die anderen Unternehmen, die ohne mit der Wimper zu zucken in fette Firmenwagen fürs Management investieren oder sich mal eben einen Konferenztisch für Anschaffungskosten im mittleren 5stelligen Bereich leisten, aber bei 5.000 EUR Investition nach 8 Jahren schwer anfangen zu jammern -- hier ist Wertschätzung ganz klar anders priorisiert. Aber die sind wir mittlerweile los, zum Glück, das passt einfach nicht.

Es scheitert oft auch schon ganz am Anfang: Wie kommt denn ein KMU an eine Website?

Entweder gibt es bereits eine Agentur, die sich schon um die Kommunikationsmittel kümmert. In der Regel sind das eher Print-orientierte Design-Agenturen. Die machen dann mit dem Kunden ein Konzept, man unterhält sich lange und breit über Visualisierungen und in der Regel wird dann am Ende noch jemand "für die Umsetzung gesucht". Bis dahin ist schon entschieden, dass man ein CMS braucht, oft auch schon, dass man ein WordPress nimmt, weil das nehmen ja alle und günstig ist es wohl auch (dann erste große Überraschung, wenn individuelle Designer-Wünsche im gekauften Theme berücksichtigt werden sollen, aber das ist ein anderes Thema).
Worauf ich hinaus will: Es ist ganz selten, dass bereits am Anfang jemand mit an Board ist, der die komplette Bandbreite an möglichen Vor- und Nachteilen der diversen Lösungsansätze vermitteln kann (siehe auch Kommentar unten von Nils Pooker).
Das geht in der Regel nur bei den ganz kleinen Kunden -- diese haben aber in der Regel eher gar kein Budget. Sobald es etwas größer wird, ist eine Agentur zwischengeschaltet, und wenn die keine Online/Digital-Experten hat, sondern eher erstmal denkt, dass sei nur eine weitere Disziplin oder ein Add-on zum ohnehin auszuarbeitenden Broschüren etc Strauß (oder der Experte eher aus dem E-Marketing kommt), dann wird es hintenraus meist problematisch. Vor allem, da solche Agenturen oder Designer in der Regel nach "Übergabe" abtauchen, gerne auch mit dem Argument, dass es ab nun ja "nur noch" um die Technik geht.

Zweites Szenario: Website hat was mit IT zu tun, also kümmert sich der IT-Dienstleister drum. Das *kann* zu besseren Ausgangssituationen führen, kann aber auch in die Hose gehen, wenn die IT-Firma selbst der Meinung ist, mit CMS X nach Schema F funktioniert das auch für neuen Kunden Z.

Drittes Szenario: Man hat bereits eine Website, die mal "grundlegend überarbeitet werden müsste". Oft lassen sich an solchen Websites die internen Probleme des Unternehmens erkennen, die lustigerweise sehr oft genau mit den Punkten zu tun haben, die dieses "das muss überarbeitet werden" triggern. Und so lange sich intern nix ändert, malt man die Probleme nur mit neuer Farbe an. Das will aber auch keiner hören.

Die Gretchen-Frage, was denn der Kunde eigentlich braucht und was er überhaupt willens und in der Lage ist, auch nach Launch der Seite zu leisten, wird oft nicht gestellt. Und das KMU-Unternehmen, das eigentlich besseres zu tun hat, als sich um die Website zu kümmern, vertraut auf Empfehlungen und Entscheidungen, die es dann letzlich doch in den Hintern beissen.

Tja. Making the Web better, one Site after the other" ist zwar löblich, aber auch ganz schön... undankbar, zuweilen.

Update: Auf Nachfrage vom typo3blogger habe ich den Text auf Englisch oder so übersetzt.

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