Hm. Hhhhhm.

Ich war gestern abend um 23h zusammen mit mehrheitlich testosterongefüllten Jungmännern mit Migrationshintergrund im Kino und habe mir 300 angesehen, und bin zwiegespalten darüber, wie mir der Film gefallen hat.

Vollkommen überzeugt hat mich die visuelle Ästhetik des Films, das ist absolut sehenswert. Fast jede Einstellung ist ein Gemälde, alles ist kreuz und quer durch die digitale Nachbearbeitung geschickt worden und das Bild- und Farbdesign des gesamten Films ist nur eins: umwerfend. Da baut der Grafiker und Illustrator in mir natürlich direkt ein kleines Zelt in der Hose - Augenorgasmus.

Damit hat es sich aber auch schon mit meiner Begeisterung, denn ansonsten ist der Film, hm, ziemlich... flach. Ich hätte jetzt fast geschrieben, er verkürzt an alllen Ecken und Enden sehr comichaft - aber da es ja auch eine Comicverfilmung ist, greift dieser Punkt nicht wirklich. Nur, wo beim Comic (oder genaugenommen der Graphic Novel), der Weissraum zwischen den Panels den Freiraum für Interpretation der gezeigten Handlung in den Panels lässt, der Leser selbst aufgrund der geforderten Interpretationsleistung regelrecht hingezogen wird in die Handlung, lässt der Film bei ähnlichem panelhaftem Aufbau der Szenen den Zuschauer (oder zumindestens mich) ziemlich unberührt aussen vor... und die Drastik der Schlacht- und Metzelszenen mit umherfliegenden Körperteilen allenthalben, zelebriert in Zeitlupe und rush-forward, wird spätestens nach der zweiten Angriffswelle der "Perser" langweilig.

Überhaupt, die "Perser". Was ist denn das bitte für ein Haufen?

Hier verlässt der Film den, nunja, noch halbwegs "realistischen" Background der griechischen Sage und steuert Richtung Auenland - angeführt von einem über zwei Meter großem metrosexuellen Gottkönig mit einem echten Piercingproblem grunzen und schlurfen abertausende von unfreien Mitgliedern der unterworfenen "asiatischen Völker" Richtung Schlachtbank, die "persische" Kriegerelite glänzt mit Pantomimenmasken und Dentalproblemen, und im Schlepptau haben sie noch allerhand tierische Kriegsmaschinen, Riesen und andere "Unholde"... genau an dieser Stelle bekommt der Film für mich nicht die Kurve; das sind die typischen Fantasy-Bösen, aber der Film ist im Ganzen (für mich) kein Fantasy-Streifen... hm. Dramaturgisch angelegt ist es ja so, dass ein Erzähler aus dem Off über die Geschehnisse berichtet, also sind wir ja genau genommen doch wieder im Reich der Fabel... aber wie gesagt, das wird irgendwie nicht rund.

Auf der anderen Seite die Griechen, genauer die Spartaner Spartiaten und ein paar Arkadier... die Spartaner eine Art ungewaschener Chippendales mit Waschbrettbauch und die Arkadier sowas wie die "ja aber" Fraktion, deren Anführer eigentlich nicht mehr im Film zu tun hat, als mehrfach überflüssigerweise darauf hinzuweisen, dass "wir verloren sind" und noch zum rechten Zeitpunkt die Rückzugskurve zu bekommen und mit seinen Bildhauern, Schmieden und anderen Schöngeistern (as opposed to the "ey krasse Kriegers" (O-Ton aus der Reihe hinter mir) aus Sparta) an den heimischen Herd zurück zu kehren.

Was mir auch richtig auf den Geist ging, waren die ständig abgesonderten Parolen, "haltet durch, haut drauf, weicht nicht" etc pp... zusammen mit der alle Nas' lang auftauchenden Zeitlupe macht das den Film wirklich anstrengend. Hinzu kommen teilweis völlig unmotivierte Szenen, wie die (visuell überaus gelunge) Orakel-Trance Szene, oder die obligatorische der König-geht-morgen-kämpfen-dann-lass-es-uns-nochmal-tun-Fickszene (O-Ton aus der Reihe hinter mir: Ey der machts der grieschisch, höhöhö!).

An den Protagonisten und der Handlung*) herumzukritteln, ist nicht mein Ding, griechische Sage halt.

Ach ich weiss auch nicht - der Film ist auf jeden Fall gute Unterhaltung, aber er überzeugt mich nicht als Film, als Ganzes... es gibt ganz viele gelungene Einzelteile, die irgendwie nicht zusammenfallen - oder ich habe eine falsche Erwartungshaltung mit ins Kino genommen.

Mein Fazit: Alleine schon der visuellen Umsetzung wegen absolut sehenswert, ansonsten viele Abzüge in der B-Note.

Und jetzt, wo ich den Film gesehen habe, kann ich mir auch endlich mal die ganzen Diskussionen darüber reinlesen. Das wird bestimmt unterhaltsam, genauso wie die Diskussion auf RadioX, die vorgestern bei Xinemascope lief (und deren Stream ich hoffentlich noch irgendwo finde...)

*) Zusammenfassung aus der FAZ:

Leonidas, das ist schon der ganze Plot, verweigert den Persern die Unterwerfungsgeste, schläft noch einmal mit seiner Frau, sammelt, weil der Ältestenrat nicht die ganze Armee verheizen will, seine persönliche Leibgarde, und dann ziehen sie nach Norden, stellen sich den Persern in den Weg, treiben, mit ihrer sturen Tapferkeit, Xerxes und seine Generäle in die Verzweiflung, bis sie von einem Landsmann verraten werden und die Perser auch im Rücken haben. Und dann kämpfen sie und sterben, einer nach dem anderen - damit die Wanderer, wenn sie nach Sparta kommen, auch erzählen können, dass diese Männer ihre Pflicht getan haben.

Nachtrag: Ich leihe mir mal ein paar Kritiken-, Berichte- und Interview-Links aus den Kommentaren bei den Filmfreunden:

Kritiken, Berichte:
TAZ: In der Geisterbahn der Geschichte
NZZ: Historientrash
FR: Die Rache des Buckligen
FAZ: Comic-Gemetzel nach Herodot
TELEPOLIS: Der diskrete Charme des Spartanischen
SPIEGEL: Die spartanischen Verse
SPIEGEL: Der verletzte Stolz der Iraner
DER TAGESSPIEGEL: NAZIS IN SPARTA? Die Debatte um Zack Snyders Comic-Spektakel "300"
AGITPOP: 300 - Plain evil or just stupid?
DEFRAG.DE: 300
MERCEDES BUNZ: Sixpacks in action
SPREEBLICK: 300 aber auch 24

Interviews:
comicbook resources: ONE-ON-ONE WITH ZACK SNYDER
Welt.de: Wir wollen unterhalten, sonst nichts
DER TAGESSPIEGEL: Wahrheit ruiniert die guten Geschichten

Nachtrag Nachtrag:
Ich habe nach dem Lesen der Kritiken, Interviews und Kommentare noch mal nachgedacht, warum der Film bei mir nicht als "rund" angekommen ist. Es gibt eine Lesart, in der der Film rund wird, und das ist, wenn man ihn als Erzählung des Kommandeurs der späteren Schlacht begreift, als Motivationsrede vor dieser Schlacht, so wie es ja auch am Ende des Films dargestellt ist. Dann macht auch die dämonisierte Darstellung der "Perser" Sinn, genauso wie die Chippendales. Nur hat es der Film nicht geschafft, mir diese Lesart zu vermitteln; und ich glaube, dass liegt auch daran, dass die (im Comic nicth enthaltenen) "Daheim/Senat" Szenen ein Ausbruch aus dieser Logik darstellen und deshalb von dieser Lesart ablenken.
So. Nu' ist aber gut, ich geh' jetzt mal lieber raus, das schöne Wetter geniessen. Es ist nur Kino, after all. :-)